Die Diskussion um die Förderung der Solarthermie geht weiter. In einem Gastbeitrag macht sich Roger Corradini von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft Gedanken über eine ertragsabhängige Förderung der Solarthermie. Welche Vorteile und welche Nachteile haben die verschiedenen Modelle?
Die Energiewende unterliegt einer starken Fokussierung auf den Stromsektor, obwohl Strom nur für ein Viertel des Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich ist. Eine Stromwende ist bereits erkennbar mit regenerativen Anteilen von über 25 % in 2013. Für die Wärme mit 9 % sieht es dagegen nicht so gut aus. Soll die Energiewende ganzheitlich gelingen, muss neben dem Verkehrssektor vor Allem der dominierende Wärmesektor angegangen werde – mehr als die Hälfte der Energie wird hier verbraucht!

Abb. 1: Endenergiebereitstellung in TWh nach Sektoren und regenerative Anteile 2010 bis 2013
Solarthermie als Schlüssel zur Energiewende!
Kann die Solarthermie signifikante Beiträge zur Wärmewende leisten? Diese Frage wurde in einer mehrjährigen Forschungsarbeit [1] beantwortet, in der die solarthermischen Potenziale für Bestandsgebäude mit einer Wohneinheit ermittelt wurden. Bei Neubau- und Modernisierungsquoten von deutlich unter 1 Prozent müssen insbesondere im Gebäudebestand Maßnahmen ergriffen werden. Die Ergebnisse zeigen dass die Solarthermie hier bis zu 25 % fossiler Energie einsparen und somit einen erheblichen Beitrag zu dieser wichtigen Wärmewende leisten könnte (vgl. auch [2]). Zusätzliche Infrastrukturkosten wie sie etwa durch verstärkte Power-to-heat Anwendungen ausgelöst werden könnten, sind für diese Technologie als Inselsystem ausgeschlossen. Sie ist damit nicht nur ein wichtiger Baustein der Wärmewende, sondern ein notwendiger Schlüssel, um die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Energiewende zu begrenzen.
Das Marktanreizprogramm hat seine Anreizfähigkeit verloren
Das Marktanreizprogramm (MAP) zur Förderung der Solarthermie hat ausgedient – bestätigt durch die Zubauzahlen der vergangen Jahre. Es schafft es schon lange nicht mehr, den Markt zu „reizen“. Häufig war es mehr Bremse als Motor eines Solarthermie-Zubaus (vgl. auch [3]). Als reine Investitions-Förderung verfehlt außerdem das Ziel effiziente – das heißt intelligent geplante, qualitätsgesichert gebaute und betriebene – Anlagen in den Markt zu bringen. Da die Höhe der Förderung nur von der Kollektorfläche abhängt werden im Extremfall auch Anlagen gefördert, die aufgrund fehlerhafter Hydraulik oder falscher Platzierung von Sensoren sehr geringe oder gar keine solaren Erträge liefern.
Pro und Contra der Alternativen
Welche Alternativen gibt es also – und wo liegen die Vor- und Nachteile?
Vergütung des Kollektorertrags: Am naheliegendsten wäre – in Anlehnung an die PV-Förderung – den Solar-(=Kollektor‑)Ertrag zu vergüten. So würden aber auch thermische Verluste an Solarverrohrung im Pufferspeicher mit vergütet. Je mehr Verluste, desto mehr Kollektorertrag. Nicht nutzbare Überschüsse im Sommer würden ebenfalls gefördert. D.h. es wäre aus Betreibersicht sehr sinnvoll, im Sommer die Wärmedämmung des Pufferspeichers zu entfernen und warmes Wasser zu „verschwenden“ sei es für Planschbecken, Pool, Gartendusche – alles würde die Vergütung erhöhen.
Vergütung in Abhängigkeit des solaren Deckungsgrades: Lösen wir uns mal vom Neubau und betrachten nur bestehende Gebäude. Warum? Wir haben bei der derzeitigen Modernisierungs- und Neubauquote diese Bestandsgebäude erst in ca. 130 Jahren komplett modernisiert. Ziel ist es aber, möglichst bald weniger fossile Energie zu verbrauchen. Hierfür kann man entweder den Wärmebedarf der Gebäude verringern. Oder der bestehende Restbedarf wird zu möglichst großen Teilen durch regenerative Energien gedeckt. Bei beschränkten finanziellen Mitteln, die nur eine Solarthermieanlage zulassen, wäre eine Förderung des solaren Deckungsgrades gegebenefalls kontraproduktiv, da in einem thermisch „schlechteren“ Gebäude mit höherem Wärmebedarf vielleicht nur einen Deckungsgrad von 20 % erreicht wird. Gleichzeitig vermeidet man aber absolut mehr fossile Energie als in einem hervorragend gedämmten Gebäude von 2010, mit solaren Deckungsgraden von beispielsweise 50 %.
Vergütung auf Basis von Kennwerten: Eine Vergütung von unter Normbedingen erreichten oder berechneten Kennwerten ist ebenfalls nicht optimal. Häufig weichen Praxis-Werte mehr oder weniger stark von diesen ab und es gäbe zudem einen Anreiz für die Hersteller, das Produkt auf möglichst gute Performance unter diesen Testbedingungen zu optimieren (siehe z.B. Normverbrauchswerte von Fahrzeugen). Planungs- und Installations-Fehler würden weiterhin nicht entdeckt und wie bisher mitvergütet, obwohl der solare Ertrag deutlich hinter dem Möglichen zurückbleibt.
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Vergütung anhand eingesparter Menge an Öl und Gas
Ziel ist es, möglichst viel fossile Wärme durch die Solarthermieanlage zu vermeiden. Warum also nicht genau den nutzbaren solaren Ertrag der Anlage vergüten, der indirekt für die vermiedene Gas- oder Ölmenge steht?
Betrachten wir eine Anlage mit solarer Rücklaufanhebung wie in Abb.2; eine häufige Bauweise für nachgerüstete solarthermische Anlagen zu bestehenden Heizkesseln. Die solare Wärme im Pufferspeicher wird hier in den Rücklauf des Heizkreises eingekoppelt.
Und genau hier sitzt auch der notwendige Wärmemengenzähler. Er erfasst nicht den Ertrag im Solarkreis, sondern die im Heizkreis genutzte solare Wärme. Die Kosten eines solchen Zählers mit ca. 200 € sind in Relation zu den Gesamtkosten überschaubar; würden aber wesentlich zur Effizienzsteigerung von solarthermischen Anlagen beitragen und vor Allem einen Anreiz schaffen möglichst große Mengen fossiler Energie durch solare Wärme zu ersetzen.

Abb. 2: Wärmemengenzähler für die alternative Vergütung einer Solarthermieanlage
Die solare Wärme für Warmwasser kann je nach Fördersatz für die solare Heizwärme gar nicht oder pauschal vergütet werden. Ausgehend von üblichen Warmwasserverbräuchen pro Kopf wäre ein Ansatz von 70 und 90 % solarer Deckung denkbar. So wäre ausgeschlossen, dass oben erwähnter künstlicher Warmwasserverbrauch in den Sommermonaten durch die Vergütung auch noch belohnt würde.
Vergütungshöhe
Die Vergütungshöhe sollte sich an den Energiekosten konventioneller Wärme und den Investkosten der Solarthermieanlage orientieren.
Vereinfachte Berechnung für eine Anlagengröße von 12,5 m² Kollektorfläche:

mit Investkosten: 8.500 €
MAP-Förderung: 1.500 € (Mindestförderung) – allgemein bis 40 m²: 90 €/m²
Nutzbarer Kollektorertrag: ca. 300 kWh/m²a (nach [1])
Kollektorfläche: 12,5 m²
Lebensdauer: 20 a
Zum Vergleich: Im Januar 2015 kostet eine Killowattstunde aus Heizöl 5,5 ct – 6 Monaten zuvor waren es noch 8,5 ct. Bei solaren Wärmegestehungskosten von rund 11 ct/kWh und einer spez. Förderung von rund 2 ct/kWh kommt man im Saldo auf effektive Kosten von 9 ct/kWh. Dieser Wert liegt aktuell deutlich oberhalb des Ölpreises und auch noch über dem vor 6 Monaten. Für größere Anlagen liegen die solaren Wärmegestehungskosten auch noch höher als 11 ct, da zwar mehr fossile Energie substituiert wird, aber bezogen auf die Kollektorfläche der nutzbare Kollektorertrag sinkt. Demnach ist es sinnvoll, die Förderhöhe in Abhängigkeit der vermiedenen fossilen Energiemenge progressiv zu gestalten. Größere Anlagen, die mehr fossile Energie einsparen, aber gleichzeitig höhere spez. Wärmegestehungskosten haben, würden so ins Gleichgewicht zu Kleinanlagen gebracht.
Will man diese Vergütungshöhe von 2 ct/kWh zusätzlich durch einen Vergleich mit anderen Technologien bewerten, bietet sich ein Vergleich zum direkten Dachflächen-Konkurrenten – der Photovoltaik – an. Betrachtet man die Gebäudeklasse mit einer Wohneinheit, wird klar, dass eine bestehende Photovoltaik -Anlage in aller Regel keinen Platz mehr für eine Solarthermie-Anlage lässt (Abb. 3).
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Wenn man sich aber nochmal die Verhältnisse der beiden Sektoren Strom und Wärme aus Abb. 1 vor Augen führt ist es umso verwunderlicher, dass seit Jahren eine deutliche förderpolitische Bevorzugung der solaren Stromerzeugung vor der solaren Wärmeerzeugung stattfand, die bis heute besteht. Trotz der erheblichen Reduktion der Einspeisevergütung für die Photovoltaik über die letzten Jahre auf aktuell ca. 12,5 ct/kWh liegt die Förderung im thermischen Bereich mit 2 ct/kWh bei weniger als ein 1/6.
Da dieses Verhältnis in der Vergangenheit noch deutlich größer war, ist es verständlich, dass die jährlichen Zubauzahlen der Solarthermie deutlich hinter denen der Photovoltaik zurückliegen, obwohl die Wärmewende als essenzieller Bestandteil der Energiewende dringend das Umsetzen dieser Wärme-Potenziale erfordern würde.

Abb. 3: Durchdringungsgrade von solarthermischen Anlagen und Photovoltaik-Anlagen sowie durchschnittliche Kollektorfeld- bzw. Modulfeldgröße je Anlage im Jahr 2012; Quelle: [4] EWEH: Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser (kurz: Ein-Wohneinheiten-Häuser = EWEH)
Fazit
Eine Investitionsförderung wie das Markt-Anreiz-Programm für die Solarthermie, die sich ausschließlich an der Kollektorgröße orientiert, wird der angestrebten Wärmewende als der dominierende Teil der deutschen Energiewende nicht wirklich gerecht.
Die vorgestellte Vergütung des nutzbaren solaren Ertrags wäre zielgerichtet, fair und mit geringem Kostenaufwand realisierbar. Als positiven Nebeneffekt würden gut geplante und gewartete oder mit innovativen Regelungen versehene Anlagen bevorzugt. Effizient funktionierende Anlagen erhielten eine höhere Vergütung als solche mit zwar großer Kollektorfläche, aber geringen Erträgen, die zum Beispiel durch eine schlechte hydraulische Einbindung oder Regelung verursacht werden. Es wäre also ein deutlich höherer Anreiz für einen qualitätsgesicherten Anlagenbetrieb gegeben.
Um die Wärmewende, die zu einem erheblichen Anteil im Gebäudebestand stattfinden muss, zu beschleunigen, sollte zudem auch die absolute Höhe der Förderung mit derzeit umgerechnet 2 ct/kWh nutzbarer Wärme überdacht werden.
Eine Energierationalität, die Vernunft (Ratio) und Wirtschaftlichkeit (rationell) vereint, kann das Projekt Energiewende nur ganzheitlich über alle drei Energiesektoren zum Erfolg führen.
Autor: Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Roger Corradini (Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. www.ffe.de)
Literaturverzeichnis
1 Corradini, Roger: Regional differenzierte Solarthermie-Potenziale für Gebäude mit einer Wohneinheit – Dissertation an der Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum. ISBN 978-3-941802-26-1; ISBN-A 10.978.3941802/261. Kostenlos beziehbar unter http://dx.doi.org/10.978.3941802/261 2 Corradini, Roger; Schmid, Tobias; Sutter, Manuel: Schlüssel zur Energiewende! in: Sonne Wind & Wärme (Ausgabe 08/2014). Bielefelder Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld. 2014. ISSN 1861-2741 H 2067 3 Corradini, Roger; Musso, Christian: Motor und Bremse für den Kollektorausbau in: BWK, Bd. 63 (2011), Nr. 6, S. 21-26. Düsseldorf: Springer VDI Verlag, 2011 – ISSN 1618-193X 4 Corradini, Roger et al: Solarthermie – Technik, Potenziale, Wirtschaftlichkeit und Ökobilanz für solarthermische Systeme in Einfamilienhäusern; Herausgeber: Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg 2014 – ISBN 978-3-933249-89-0
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