Das Dehydriersystem

Das Dehydriersystem, das den Wasserstoff aus der Trägersubstanz abtrennt, ist in einem Standardcontainer untergebracht. Das Gleiche gilt für das Hydriersystem, das den Wasserstoff an die Trägersubstanz bindet. (Foto: Hydrogenious)

Benzin und Diesel könnten eigentlich ideale Treibstoffe sein. Leider schädigen sie die Umwelt, und deshalb mehren sich die politischen Bestrebungen, diese Substanzen aus unseren Autos zu verbannen. Aber was wir an ihnen haben, wird uns erst klar durch den Versuch, auf sie zu verzichten. Ihre Energiedichte ist unschlagbar. In einem Kilogramm stecken rund 12 Kilowattstunden, und das ermöglicht uns die Freude am Fahren für viele Kilometer. Leider können uns die beiden Alternativen, die im Prinzip zur Verfügung stehen, diese Energiedichte nicht annähernd bieten. Weder die Batterie noch der Wasserstoff können den Kohlenwasserstoffen in dieser Hinsicht Konkurrenz machen.

Die Lithium-Ionen-Batterie wird zwar immer besser. Prototypen erreichen inzwischen knapp 0,6 kWh/kg. Doch die Serienproduktion ist noch nicht so weit. Die Traktionsbatterie des BMW i3 speichert nur 0,1 kWh/kg. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Elektromotor einen deutlich höheren Wirkungsgrad hat als der Verbrennungsmotor, bleibt der Abstand noch gewaltig.

Wasserstoff sieht auf den ersten Blick wesentlich besser aus. Die gravimetrische Energiedichte von 33 kWh/kg übertrifft die der Kohlenwasserstoffe um das Dreifache. Schon 5 kg genügen, um ein Brennstoffzellenauto rund 500 km weit zu bringen. Doch Wasserstoff ist das Gas mit der geringsten Dichte, und deshalb ist ein enormer Druck erforderlich, um 5 kg in den Tank eines Autos zu pressen. Die aktuell verfügbaren Brennstoffzellenautos, der Toyota Mirai und der Hyundai ix35, sind deshalb mit Tanks ausgestattet, die einem Druck von 700 bar standhalten.

Durch Verflüssigung kann man die volumetrische Energiedichte erheblich steigern. Aber Wasserstoff wird erst bei –253 °C flüssig und müsste deshalb im Auto in einem perfekt isolierten (und entsprechend teurem) Tank mitgeführt werden. Verdampfungsverluste lassen sich kaum vermeiden, denn die  Umgebungstemperatur liegt rund 270 °C über der Siedetemperatur. Nach einigen entmutigenden Versuchen hat man deshalb wieder davon Abstand genommen.

Praktikable Lösung für Transport und Lagerung

Wasserstoff ist zwar noch kein verbreiteter Energieträger, aber doch ein nachhaltiger Hoffnungsträger. Weil sich dieses Gas relativ einfach aus Strom herstellen lässt, sich also auch zur Verwertung von überschüssigem Solar- und Windstrom eignet, gibt es viele „Wasserstofffreunde“, die hartnäckig daran arbeiten, dass der Durchbruch gelingt.

Das eigentliche Problem sind Transport und Lagerung des flüchtigen Gases. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Wasserstoff ohne Kompression oder Kondensation zu „verdichten“, haben Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg eine organische Verbindung gefunden, die bisher nur als Wärmeträgeröl eingesetzt wurde, sich aber auch sehr gut als „Wasserstoffträgersubstanz“ (Liquid Organic Hydrogen Carrier, LOHC) eignet.

Es handelt sich um Dibenzyltoluol. Die Wasserstoffmoleküle lassen sich in diesem Molekül reversibel einlagern, sodass durch das Ein- und Ausspeichern weder die Trägersubstanz noch der Wasserstoff verbraucht wird. Die ungesättigten Verbindungen der drei Benzolringe, aus denen dieses Molekül im wesentlichen besteht, können insgesamt 18 Wasserstoffatome aufnehmen, also neun Wasserstoffmoleküle binden. Die chemische Reaktion nennt sich Hydrierung und ist exotherm, gibt also Wärme ab. Die Dehydrierung ist demzufolge endotherm, verlangt also nach Wärmezufuhr.

Die im ersten Schritt frei werdende Wärmemenge vermindert ebenso wie die im zweiten Schritt zugeführte Wärmemenge den Wirkungsgrad der Energiespeicherung. Deshalb kommt es darauf an, die bei der Hydrierung entstehende Abwärme zu nutzen und die für die Dehydrierung erforderliche Wärme so günstig wie möglich zur Verfügung zu stellen.

Um das Verfahren zu kommerzialisieren, wurde vor drei Jahren die Hydrogenious GmbH als Spin-off der Universität gegründet und ein Jahr später durch Beteiligungen mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet, um eine Pilotanlage zu bauen und standardisierte Lösungen zu entwickeln. Das junge Unternehmen hat inzwischen Ein- und Ausspeichersysteme entwickelt, die jeweils in einen Container passen (siehe Foto). Das erste modulare Speichersystem wurde Anfang dieses Jahres in Erlangen in Betrieb genommen. Diese Demonstrationsanlage bezieht ihren Strom aus einem Solargenerator mit 98 kW Leistung.

Der Solarstrom speist einen PEM-Elektrolysator, und der entstehende Wasserstoff strömt in ein Hydriersystem, wo er mit dem Dibenzyltoluol reagiert. Das dadurch entstehende Perhydro-Dibenzyltoluol wird in einem Behälter gespeichert. Die gesamte Apparatur ist in einem Standardcontainer untergebracht. Die Überschusswärme der Reaktion wird an ein nah gelegenes Schwimmbad abgeführt.

Wirkungsgrad muss noch besser werden

Perhydro-Dibenzyltoluol ist unbrennbar und ungiftig. Es lässt sich daher problemlos transportieren und lagern – mit deutlich geringerem Risiko als Benzin oder Diesel. Das ist ein weiteres Motiv, diesen Weg zu verfolgen, zumal der Nachweis gelungen ist, dass das System funktioniert. Davon kann man sich online im Internet überzeugen (siehe Grafik). Wenn die PV-Anlage rund 20 kW leistet, erzeugt der Elektolyseur knapp 4 Normkubikmeter (Nm3) Wasserstoff pro Stunde. Durch Hydrierung („Verflüssigung“) entstehen daraus rund 6 Liter LOHC. Die Abwärme aus Elektrolyse und Verflüssigung (in diesem Beispiel insgesamt rund 8,5 kW) wird an das Schwimmbad abgeführt.

Das LOHC wird nach Stuttgart transportiert, wo der Wasserstoff der Trägersubstanz entzogen wird. Ein Teil des Wasserstoffs wird verbrannt, um die für die Dehydrierung erforderliche Wärme zu erzeugen, der andere Teil wird in eine 30-kW-Brennstoffzelle geleitet, die eine Elektromobiltankstelle mit Strom versorgt.

Der nächste Schritt wäre die Versorgung einer Wasserstofftankstelle, um das System vollständig zu erproben. Und der übernächste die Verbesserung des Umwandlungswirkungsgrades. Denn die Abwärme, die bei der Hydrierung entsteht, und die Wärme, die bei der Dehydrierung zugeführt werden muss, können zusammen rund 30 % des Energieumsatzes ausmachen. Durch die Integration von ohnehin vorhandenen Wärmequellen und –senken könnte man die Energiebilanz des Hydrogenious-Systems deutlich verbessern. Das ist auch notwendig, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Li-Ionen-Batterie ist auf dem Vormarsch.

Detlef Koenemann

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